Sonntag, 29. August 2010

Roland Koch war...

29. August 2010
..."brutalstmöglich" Ministerpräsident von Hessen

"Die Äußerungen Sarrazins sind unerträglich. Damit stellt er sich völlig ins Abseits", sagt Roland Koch. Und schon hat sich so mancher gefragt: Da war doch was? Das war: Ein Interview mit der "Bild"-Zeitung  ("Wir haben zu viele kriminelle Ausländer") und eine vier Wochen lange Hetzkampagne dieses Springer-Blattes. Mit geradezu haarsträubenden Thesen.

Das war auch: Die "brutalstmögliche" Aufklärung eines Spendenskandals, die mit dem Eingeständnis von Roland Koch endete: "Ich habe das Parlament getäuscht."

Übermorgen war auch noch dies: Der 52-Jährige war hessischer Ministerpräsident, elf Jahre lang. Zum Abschied hat Roland Koch mit einem Redakteur der "Bild am Sonntag" ein Wortspiel gemacht. Martin S. Lambeck begann einen Satz, der scheidende hessische Ministerpräsident vollendete ihn.

Ein Satzanfang lautete: "Konservativ bedeutet für mich..." Roland Koch: "...eine für die Stabilität einer Gesellschaft unverzichtbare Grundeinstellung, die leider im Nachkriegsdeutschland zu Unrecht diskreditiert worden ist."

Sowas hat der schon immer rausgehauen - warum also nicht auch an seinem vorletzten Arbeitstag? Schaut man sich jedoch die Geschichte des Nachkriegsdeutschlands an, dann muss man nach einer Diskriditierung des Konservatismus länger suchen als nach der Diskrimierung nicht konservativer Kreise.

Munter klebte die CDU seinerzeit Plakate, auf denen ein Bolschewist den Mund aufriss, um die Bundesrepublik Deutschland zu verschlingen, falls die SPD die Regierung stellt. Willy Brandt wurde als "vaterlandsloser Geselle" Herbert Frahm so lange verleumdet, bis dieser ernsthaft an eine Rückkehr nach Norwegen dachte. Die Ostverträge der sozialliberalen Koalition sollten in Schmutzkübeln versinken. Bis es im Bundestag zur Abstimmung kam. Die Union übte sich in Stimmenthaltung und blamierte sich damit bis auf die konservativen Knochen. Die Liste könnte fortgesetzt werden. Würde bei Roland Koch und anderen zu nichts führen. Die sind mit der Stabilität der Gesellschaft beschäftigt, die sie an der Macht hält...

Mittwoch, 18. August 2010

Kapitalismus und Misstrauen

18. August 2010
Zwei Drittel glauben nicht an "Marktkräfte"

"Die Deutschen misstrauen dem Kapitalismus." Berichtet die "Welt" über eine Umfrage von Emnid im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Zwei Drittel der Deutschen glauben demnach nicht an die "Selbstheilungskräfte des Marktes". Für die seien zudem andere Dinge wichtiger.

Stopp! Klärungsbedarf vorhanden, liebe Springer-Leute! Seit 1949 behauptet dieser Zeitungskonzern, Deutschland sei nicht kapitalistisch, denn Ludwig Erhard habe die Soziale Marktwirtschaft eingeführt. Die sei etwas anderes. Jetzt nicht mehr? Über Nacht hat sich der Kapitalismus eingeschlichen? Etwa auch noch mit Migrationshintergrund, eingeschleust von Schurkenstaaten mitsamt Profitgier?

Oder sind wir nur veräppelt worden, so lange es die DDR gegeben hat? Da war das Wirtschaftssystem der Bundesrepublik doch noch angeblich allen anderen Wirtschaftssystemen überlegen. Nun ist der SED- Staatssozialismus weg, die Soziale Marktwirtschaft ebenfalls und der Kapitalismus stolpert in den Abgrund der Geschichte?

So geht es allerdings allen Etikettenschwindlern. Irgendwann schauen die Leute nicht mehr auf die Verpackung, sondern auf den Inhalt. Schon fliegt der Schwindel auf. Denn: Nicht erst seit der emnid-Umfrage gibt es in jeder Branche drei, vier Riesen, die den Markt beherrschen. Manager lachen sich schon lange schlapp über jeden, der glaubt, dass es über allem so was gibt wie "Marktkräfte". Das Motto lautet: "Der Markt sind wir." Darauf werden sogar Wetten abgeschlossen. Wer den Niedergang am besten tippt, gewinnt am meisten. Jeden Tag an der Börse.

Bereits vor über 30 Jahren hat Heiner Geißler als CDU-Führungskraft vor "neuer Armut" gewarnt, ein Bestseller mit anhaltender Wirkung wurde sein Buch nicht. Die Armut wurde immer größer. Nicht nur die materielle, auch die geistige.

Und Ex-Bundespräsident Horst Köhler hat sich jüngst an den Kopf gefasst. In einer Rede warf er den Investmentbankern vor, dass sie schon wieder so handeln wie vor der Finanzkrise. Lernen die denn gar nichts dazu? fragte Horst Köhler.

Warum sollten sie? Die fallen doch auch beim nächsten Mal in ein sanftes Staatsbürgschafts-Kissen. Gerhard Schröder hat das weder als Bundesvorsitzender der Jungsozialisten noch als Ministerpräsident oder als Bundeskanzler gern gehört, doch es stimmt: Ist Stamokap. Staatsmonopolistischer Kapitalismus. Bedeutet: Der Staat ist nur ein Reparaturbetrieb.

Also: Wir reparieren, was wir gar nicht kaputt gemacht haben. An den Werkstoren ist Schluss mit der Demokratie, die auch sonst auf dem Krankenlager liegt. Zwei Drittel der Deutschen wollen deshalb, dass dieses Land wieder gesund wird. Da müsste in den Parteien eine Strategiediskussion beginnen. Beginnt aber nicht.

Erinnert an die DDR. Dort hat´s den sozialistischen Realismus gegeben. Die Wirklichkeit wurde dem Wunschtraum angepasst. Bis die Mauer fiel - und die meisten SED-Funktionäre aus allen Wolken.

Sonntag, 8. August 2010

ZDF-Personalpolitik

8. August 2010
Steffen Seibert kann jederzeit zurück kehren

Heiteres Beruf behalten: Sie haben ab 11. August einen neuen Job, gehen zu Ihrem Chef und fordern von ihm eine Rückkehrgarantie, falls Sie Probleme mit Ihrem neuen Arbeitgeber bekommen. Unvorstellbar, dass der zustimmt? Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip, ja...Solch einen Chef gibt es nicht, aber...


...beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) gibt es solche Chefs. Weiß jetzt Steffen Seibert. Der hat bislang bei "heute" und im "heute journal" Nachrichtensendungen moderiert. In drei Tagen wird der 50-Jährige Regierungssprecher - mit Jobgarantie beim ZDF. Heißt: Steffen Seibert kann jederzeit auf den Mainzer Lerchenberg zurück kehren.

Er muss nur vorher kurz anrufen, damit seine Nachfolgerin Maybrit Illner Bescheid weiß und Platz macht? Oder bekommt der 50-Jährige dann eine neue Sendung? Dazu lässt das ZDF noch nichts verlauten - sind aber spannende Fragen.

Eine weitere spannende Frage lautet: Wie will Steffen Seibert eigentlich seine Aufgabe als Regierungssprecher erfüllen? Jeder Aufmerksame weiß doch, dass wir derzeit gar keine Regierung haben, sondern einen zerstrittenen Ministerverein. Für wen will der 50-Jährige in diesem Club sprechen? Für Angela Merkel, weil die für die Richtlinien der Politik zuständig sein sollte? Mal für den, dann für die? Oder lost Steffen Seibert vor jeder Pressekonferenz aus, auf welche Seite er sich begibt?

Gibt es also diese Erklärung für die ZDF-Rückkehrgarantie: Mitleid mit einem Mitarbeiter, der sich ver- und geirrt haben muss?

Mittwoch, 4. August 2010

Noch eine Partei

4. August 2010
Istanbul darf nicht Düsseldorf werden?

Auf meinen Facebook-Seiten wünscht sich jemand die Republikaner in den Bundestag. Das wäre dann die siebte Partei. Sieben ist eine biblische Zahl. Ist also gut? Für die Republikaner im Parlament plädiert dieser Kommentator, weil nur so Rot-Rot-Grün verhindert werden könne.

Vor sechs Jahren hat auch diese rechte Partei diesen parlamentarischen Traum neu geträumt. Einziehen wollte man von unten nach oben. Erst in Gemeinde- und Stadträte, dann in Länderparlamente, schließlich in den Bundestag, dann auch noch in das Europaparlament. Doch die Parolen zogen nicht, auch nicht die angebliche Abgrenzung von NPD und DVU. An Plakaten mit Sprüchen wie "Düsseldorf darf nicht Istanbul werden" nagte der Zahn der Zeit, ein bisschen unterschwellig kam nicht mehr an.

Nun argumentiert dieser Facebook-Kommentator nicht nur völlig unpolitisch, er beschwert sich auch noch darüber, dass er als Rechtsradikaler abgestempelt wird. Welchen Stempel hätte er denn gern? Rot-Rot-Grün-Gegner?

Würde dumm laufen. Denn inzwischen wissen wir: CDU, CSU und FDP geht nicht, CDU und Grüne auch nicht. Dafür passiert längst etwas anderes: CDU-Bürgermeister, CDU-Oberbürgermeister und CDU-Landräte lassen sich von den Linken in ihre Sessel hieven. In so mancher Kommune und in so manchem Kreistag funktioniert die Zusammenarbeit.

Schon drehen einem die Kritiker von Rot-Rot-Grün eine Nase. Das sei schließlich untere politische Ebene, auf Landes- und Bundesebene sei die Linke nicht koalitionsfähig. Dort spielt man nicht mit diesen Schmuddelkindern. Macht die SPD auf Landesebene aber schon. Deshalb wird die Erklärungsnot immer größer und so mancher Sozialdemokrat kann sich glücklich preisen, weil auch Linke auf Bundesebene eine Koalition noch ablehnen.

Nun stellen wir uns einmal - aber nicht allzu lange- vor: Die Republikaner sind im Bundestag, nehmen der Union so viele Stimmen ab, dass es reicht. Doch weder CDU noch CSU werden mit dieser Partei eine Regierung bilden, weil sie sich rechts das Wasser nicht abgraben lassen wollen. Das macht die CSU mit ihrer Diskussion über "Wie konservativ ist die CDU noch?" doch gerade deutlich.

Und was will der Kommentator mit Republikanern im Bundestag? Ein bisschen Ausländerhetze? Ein bisschen Diskriminierung von Minderheiten? Ein bisschen Reaktionäres?

Und wie soll die politische Auseinandersetzung mit dieser Partei aussehen? Einen Bus mieten, mit diesen Parlamentariern nach Istanbul fahren und dort die Basare besuchen, damit in deren Köpfe geht: Dort hängt nirgendwo ein Plakat mit dem Spruch "Istanbul darf nicht Düsseldorf werden"?