Sonntag, 19. Dezember 2010

Kriegslügen

19. Dezember 2010
Sir Walter Scott und das Netz der Betrüger

Jeder Krieg wird mit Lügen geführt. So sind im Vietnam-Krieg mehr Vietcong gestorben als dieses Land Einwohner hat. Bei all den Erfolgsmeldungen, die seinerzeit das US-amerikanische Militär verbreitete, hatte jemand das Zusammenzählen der Opfer vergessen. Der Krieg begann mit einer Fälschung und endete mit einem kleinlauten Abzug. Noch heute leiden Kinder unter den Kriegsfolgen.

"Die Frau des Bundespräsidenten, Bettina Wulff, hat den Preis für das Unicef-Foto des Jahres 2010 an den US-Amerikaner Ed Kashi überreicht. Seine Bilderserie über die Spätfolgen des im Vietnamkrieg als Kampfmittel verwendeten Herbizids Agent Orange seien ´ein Appell gegen das Vergessen´", lesen wir jetzt in den Zeitungen.

Und in der "Bild am Sonntag" von heute trägt die Bundeskanzlerin auf einem Foto eine schwarze Splitterschutzweste, sitzt in einem CH-53-Transport-Hubschrauber und besucht als "Frontfrau in Afghanistan" Bundeswehrsoldaten, damit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ihr nicht schon wieder die Show stiehlt per Talkshow am Hindukusch. Was kommt da als nächstes? Bundestagssitzungen in der Provinz Baghlan?

Es ist Krieg, hat Angela Merkel bei ihrem Besuch den Soldaten mitgeteilt. Haben die sicherlich noch gar nicht gewusst. Dieser Krieg soll bislang 45 Bundeswehr-Tote gefordert haben. Aber ansonsten werde alles besser. Kinder winken, wenn Deutsche an ihnen vorbeifahren, der Bewegungsspielraum sei größer geworden.

Schon vor drei Jahren habe ich mich mit Alkoholproblemen, Gewalt und Selbstmorden am Hindukusch beschäftigt. "Es wird immer schlimmer", sagte ein Insider. Thema erledigt? Oder vergessen? An offizielle Selbstmord-Zahlen kam ich nicht heran. Die Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch teilte mir mit, dass es ihr ähnlich gehe. Das Verteidigungsministerium habe ihr im April 2006 lediglich mitgeteilt, dass “seit 1996 63 Soldaten der Bundeswehr bei Einsätzen im Rahmen einer besonderen Auslandsverwendung” ums Leben gekommen seien, 23 davon durch “Fremdeinwirkung”.

Wie passen diese Angaben zu der heute veröffentlichten Zahl 45 Bundeswehr-Tote in Afghanistan? Glauben wieder einige an eine Statistik, die sie selbst gefälscht haben? Eine Antwort darauf wird man nicht bekommen. Jeder Krieg wird mit Lügen geführt. Wieder gilt der Satz von Sir Walter Scott: "Oh-! was für ein verwirrtes Netz wir spinnen, wenn zuerst wir üben, um zu betrügen!"

Keine Kommentare: